Corona und unser Sozialverhalten

Beim ersten Lockdown – ja, es war kein echter oder harter Lockdown, aber nennen wir die Regelungen der Einfachheit halber so – gab es viele Befürchtungen, Probleme, aber auch Hoffnungen. Ich möchte mich hier auf die soziologischen, zwischenmenschlichen Punkte stürzen und nicht auf wirtschaftliche oder politische.

Der Hashtag #Togetherathome sagt eigentlich alles. Clubs wurden geschlossen, Kneipen machten dicht. Die Personenanzahl und der -kreis, mit denen man sich treffen durfte, wurde beschränkt. All das war natürlich ein heftiger Eingriff in unser Sozialleben. Freunde, Bekannte, Verwandte besuchen war z. T. nicht möglich. Zum Teil aber auch aus Rücksicht auf die eigene Gesundheit und vor allem auf die seiner Lieben zumindest keine gute Idee.

Man hatte also weniger Kontakt zu Menschen. Auch bei der Arbeit fand der direkte Kontakt zu Kollegen je nach Branche und Arbeitsplatz nicht mehr oder zumindest seltener statt.

Die Befürchtungen waren Vereinsamung, mancher mit Depressionen fiel schon vorab oder währenddessen in ein Loch.

Gleichzeitig gab es die Hoffnung, dass die Sehnsucht nach direktem Kontakt einen kleinen „Reset“ in den Köpfen der Menschen durchführt.

Oberflächlichkeiten, die sich über Jahre hinweg eingeschlichen haben, werden unwichtig. Der Wunsch nach direkten sozialen Kontakten und mehr Tiefgründigkeit sollte wieder wichtiger werden.

Weniger Schein als Sein. Weniger Instagram-Selfies und Likes erhaschen, mehr persönlichen Kontakt. Weniger WhatsApp, mehr Gespräche von Angesicht zu Angesicht.

Ja, die sogenannten „sozialen“ Medien haben sich entgegen des ursprünglichen Gedankens zu asozialen Medien entwickelt. Man schreibt lieber stundenlang per WhatsApp, als deutlich kürzer zu telefonieren oder sich sogar zu treffen. Auf Facebook, Instagram und Twitter blökt man lieber kurz etwas ins Internet, anstatt in normalem Ton zu diskutieren oder sogar zu streiten.

Der Ton macht die Musik. Der Ton kann aber beim Lesen nur interpretiert werden. Fehlt ein Smiley, wird das leicht als Affront wahrgenommen.

Wer nur schreibt, verliert die direkte Bindung zum Dialogpartner. Man sieht und fühlt die Reaktion nicht. Und stattdessen interpretiert man etwas ins geschriebene Wort. Meist liegt man damit daneben.

Und dann wurden Kontakte dank Corona auch noch reglementiert. Sprich, alles wurde in dieser Hinsicht noch schlimmer.

Und dennoch keimte die Hoffnung auf, dass sich dadurch eine Gegenbewegung in Gang setzen würde. Die sozialen Medien haben die direkten Kontakte – für viele unmerklich – geschwächt. Das Verbot der direkten Kontakte ging noch einen Schritt weiter.

Und gerade durch das Verbot hofften viele, dass man sich zurückbesinnt. Dass man wieder mehr direkte Kontakte sucht, wenn es wieder erlaubt ist. Dass die Menschen wieder mehr auf einander zugehen.
Dass man sich freut, endlich wieder jemanden treffen zu können.
Dass man sich auf Kollegen freut, die man dank Homeoffice lange nicht mehr gesehen hat.
Und, dass man versucht, gerade in der schlimmen Phase noch mehr mit seinen Mitmenschen in Kontakt bleibt.

Bei manchen hat das funktioniert.

Manche haben die Video-Telefonie für sich entdeckt. Nicht nur dienstlich, sondern auch privat. Großeltern, die ihre Enkel somit wenigstens über ein Handy- oder Tablet-Display sehen können.

Leider gibt es aber auch viele, die sich in der unsozialeren Zeit durch das Verbot noch weiter nach unten entwickelt haben. Das was sie mit den (a)sozialen Medien begannen, haben sie während des Lockdowns verstärkt.

Aus den Augen, aus dem Sinn. Wen ich nicht mehr so oft sehen kann, den rufe ich jetzt auch nicht an oder freue mich auf ein Treffen, wenn wieder alles gelockert wird. Manche meldeten sich gar nicht mehr.

Letztendlich lässt sich aber auch das nicht pauschalisieren. Manche Freundschaften sind ganz normal erhalten geblieben. Manche Freundschaften wurden intensiver, tiefer. Manch Bekannter ist ein einfacher Bekannter geblieben.

Aber manche Freunde haben nicht mal mehr den Status eines Bekannten. Woran das liegt, weiß ich nicht.
Ist es Faulheit?
War einem die Freundschaft nicht so viel wert, dass man gerade jetzt versucht, sie aufrecht zu erhalten?
War die Freundschaft jemals etwas wert, wenn man sich in einer solch schwierigen Phase so verhält?

Da ich beiderlei Erfahrungen machte oder machen musste, sehe ich das so: Es hat sich gezeigt, wer wirklich wert auf den anderen Menschen legt.
Und ja, da muss ich mich auch an meine eigene Nase fassen. Bei manchen hat sich aber ganz klar gezeigt, dass man selbst nie wertvoll genug für den anderen war und somit sollte es der andere für einen selbst auch nicht mehr sein.

Beim ersten Lockdown wurde dann das Wetter besser. Man konnte wieder mit entsprechendem Abstand das Haus verlassen. Es kamen Lockerungen. Somit konnte wieder ein zumindest nur noch leicht beschränktes Sozialleben stattfinden.
Der zweite Lockdown kommt kurz vor der dunklen Jahreszeit. Die Jahreszeit, die viele sowieso schon als bedrückend empfinden. Man kann nicht mehr raus, man darf sich aber auch nur mit einer bestimmten Personenzahl zuhause treffen und dann auch nicht mit jedem, auf den man Lust hat.

Was wird also passieren?

Entweder die erhoffte Gegenbewegung findet endlich statt und Menschen kümmern sich verstärkt um ihre sozialen Kontakte – natürlich regelkonform!
Oder die soziale Abwärtsspirale erreicht einen neuen Höhepunkt.
Die nächste Runde im „Aussieben falscher Freunde“.
Eine Prognose fällt mir schwer.
Persönlich hoffe ich natürlich, dass das Umdenken kommt. Mehr Tiefe, weniger Oberflächlichkeit. Wenige, aber intensivere Kontakte.
Und natürlich hoffe ich auch ein bisschen, dass es wieder mehr Menschen gibt, die Freude an meinen Wohnzimmerkonzerten haben. Verständlicherweise sitzen Dienstagabends weniger Menschen vor Youtube oder Instagram, wenn sie rausgehen und das Leben draußen und/oder mit anderen Menschen genießen können.
Wen es interessiert: https://www.youtube.com/user/Bogysmusic

Und wen es nicht interessiert, der darf sich dennoch ein paar Gedanken über zwischenmenschliche Kontakte machen. Ich gebe die Hoffnung jedenfalls nicht auf!